Montag, 6. Oktober 2014

Nachbereitung Helgoland - Flora

Obwohl die Exkursion aufgrund des Zeitpunktes (zum Ende der Vegetationsperiode hin) eher ornithologisch ausgerichtet war, blieb es natürlich nicht aus, dass sich auch die Pflanzenwelt einer genaueren Betrachtung unterziehen musste. Ist doch Helgoland dank seines exponierten Standortes in der Nordsee floristisch sehr spannend, zumal das Thema ja auch im Rahmen des Studiums höchstens nebenbei behandelt wird. Mit ein bisschen Literaturrecherche und den richtigen Büchern lässt sich aber trotzdem ein grobes Bild der Vegetationsverhältnisse auf den Inseln zeichnen.

Das Wahrzeichen Helgolands: Die Lange Anna. Gut zu erkennen sind auch die Sedimentschichten in dem Buntsandstein der Küstenfelsen
Helgoland ist "Deutschlands einzige Hochseeinsel" (wobei die Insel per Definition noch zum Landsockel und damit nicht zur hohen See gehört) und ist vom schleswig-holsteinischen bzw. niedersächsischen Festland je über 50 km entfernt. Aufgrund der Nähe zum Wasser ist das Klima stark atlantisch geprägt, Schnee ist selten und so richtig kalt (< -5° C) wird es auch im Winter kaum, weshalb auf der Insel auch sonst eher südlicher erwartete Pflanzensippen vorkommen, bspw. die Zimmeraralien (Fatsia japonica) im kleinen Park vor dem Edeka oder eine Araukarie (Araucaria spec.) im Kurpark. Auch andere wärmebenötigende Pflanzen wie Feige, Lorbeere und Maulbeere konnten erfolgreich ausgebracht werden und tragen Früchte.

Helgoland entstand durch tektonische Aktivität, in dem sich ein Salzstock auf dem Gebiet der heutigen Insel anhob und die oberen Schichten empor drückte. Der Buntsandstein des heute sichtbaren Teiles der geologischen Schichtung ist durch oxidierte Eisen- und Aluminiumanteile rötlich gefärbt. Durch starke Einwirkung von Wind und Wetter ist Helgoland generell ein sehr dynamischer Standort und ständig im Wandel begriffen, es ist jedoch auch durch den Menschen stark überformt. So kam es nach dem zweiten Weltkrieg zur Sprengung von unterirdischen Bunkeranlagen, die Explosion wird im Nachhinein als größte nichtnuklear verteilte Sprengung in der Geschichte angesehen, die das Bild der Insel nachhaltig veränderte, dadurch entstand z.B. auch das Mittelland.

Als Charakterpflanze Helgolands wird oft der den Exkursionsteilnehmern nun gut bekannte "Klippenkohl" (Brassica oleracea ssp. oleracea), die Stammform der uns bekannten Kohlarten (Wirsing, Rosenkohl & co) gehandelt, die in Deutschland nur auf Helgoland zu finden ist. Auch wir konnten diese Pflanze zwar nicht in Blüte, dafür doch zahlreich über die Insel verstreut beobachten. Die Gattung steht Pate für die Familie der Kreuzblütengewächse (Brassicaceae), zu denen die Art natürlich ebenfalls zuzuordnen ist. Im Frühjahr färbt ein Blütenmeer aus den familientypischen vierzähligen Blüten die Insel schwefelgelb, und familientypisch sind ebenso die Schoten, in denen die Samen enthalten sind. Die Pflanze wächst aufrecht, ist wenig verzweigt und hat bläulich bereifte Blätter. Ihre Wuchshöhe kann bis zu 120 cm betragen und ihr natürlicher Standort sind Felsen in ozeanisch geprägten Küstenbereichen, ausser auf Helgoland z.B. in Frankreich.

"Klippenkohl", Brassica oleracea ssp. oleracea
Eine weitere floristische Besonderheit ist der Meerfenchel (Crithmum maritimum) aus der Familie der Doldenblütler (Apiaceae). Die Art wurde bereits 1935 mit einem Exemplar auf der Düne nachgewiesen, was aber ein Einzelfall gewesen zu sein schien, denn erst 2001 konnten weitere Exemplare aufgefunden werden. Seit dem ist der Bestand ziemlich angewachsen, und in den Fugen der Befestigungsanlage am Kringel als auch in den dortigen Felsen waren zahlreiche Exemplare auszumachen. Sie kann ihre Wurzeln gut im Gestein verankern, so dass sie auch Sturmfluten übersteht.

Meerfenchel (Crithmum maritimum)
Großer Bestand des Meerfenchels an den Felshängen am Kringel
Viele Pflanzenarten der Salzwiesen konnten im Laufe des Wochenendes entdeckt werden. Salzwiesen sind Bestände krautiger Pflanzen, die regelmäßig oder unregelmäßig vom Meer überflutet werden und daher Arten beinhalten, die Salz tolerieren können (Halophyten). Salz hat verschiedene Auswirkungen auf Pflanzen, vor allem die erschwerte Wasseraufnahme durch osmotische Effekte, aber auch Unregelmäßigkeiten im Ionenhaushalt und Einfluss auf verschiedene Stoffwechselbereiche.

Durch die Einwirkung des Menschen z.B. durch die Errichtung von Wellenbrechern und Wällen, die das Wasser an der Überschwemmung des Landes hindern, bekamen wir keine Salzwiese im Lehrbuchsinne zu Gesicht, wohl aber bei Fluten überschwemmte und durch Gischt beeinflusste Bereiche, an denen genug Salz abgelagert wird, so dass Halophyten dort wachsen können und nicht von eventuell konkurrenzstärkeren Pflanzen, die weniger Salz tolerieren können, verdrängt werden. Vor allem im Osten des Südhafengeländes war eine schöne Wiese mit typischen Salzpflanzen zu sehen, und auch auf den Befestigungsanlagen am Kringel wuchsen viele salztolerante Arten. Über die Insel verstreut und natürlich auch auf der Düne konnten aber immer wieder solche Küstenpflanzen beobachtet werden, bspw. die Grasnelke am Nordoststrand. Generell fallen ja die Worte "Strand", "Meer" und "Salz" in den Trivialnamen auf. Aufgrund der geringen Größe der Inseln ist ein gewisser Einfluss des Salzes sicherlich überall vorhanden.

Neben der Salzproblematik, mit der Pflanzen irgendwie physiologisch umgehen müssen, sind auch Trockenheit und Wind Stressfaktoren. Der Untergrund aus Sandstein ist porös und lässt Wasser leicht abfließen, zusätzlich trocknen starke Winde die Humusschicht leicht aus und im Sommer regnet es oft wochenlang nicht. Anpassungen an diese Bedingungen sind z.B. die Ausbildung von sukkulenten Blättern oder anderen Pflanzenteilen, die bei vielen Arten beobachtet werden konnte (Strandkamille, Meersenf, Salzmiere, Strand-Wegerich, Meerfenchel, um nur einige zu nennen). Auch andere morphologische Anpassungen wie die Bildung von Absalzhaaren (Strand-Salzmelde), die Salze anreichern und dann abbrechen, Absalzdrüsen (Grasnelke), die aufgenommene Salze wieder ausscheiden können oder das Abwerfen von Pflanzenteilen wie alten Blättern, in denen die Salzkonzentration zu hoch geworden ist (Strand-Wegerich) sind Beispiele dafür. Einige Eindrücke und Fotos von den Pflanzen:

Durch Salzspray beeinflusste, direkt hinter der Kaimauer im Osten des Südhafengeländes gelegene Wiese mit Arten wie Strand-Beifuß, Krähenfuß-Wegerich und Salz-Schuppenmiere.
Gewöhnliche Grasnelke (Armeria maritima)
Blütendetail der Grasnelke, die im Übrigen nicht zu den Nelkengewächsen (Caryophyllaceae) gehört, sondern zu den Bleiwurzgewächsen (Plumbaginaceae).
Strand-Wegerich (Plantago maritima)
Krähenfuß-Wegerich (Plantago coronopus)
Strand-Beifuß (Artemisia maritima)
Strand-Beifuß
Salz-Schuppenmiere (Spergularia salina)
Strand-Salzmelde (Atriplex portulacoides)
Strand-Sode (Suaeda maritima)
Strand-Melde (Atriplex littoralis)
Strand-Melde, Habitus
Auf der Düne, einer kleinen Sandbank vor der Hauptinsel, lag unser Campingplatz und dem Namen entsprechend dominierten hier im Gegensatz zu dem eher felsigen Bild der Hauptinsel Sanddünen.

Die Düne vom Oberland der Hauptinsel aus gesehen
Dünen entstehen, wenn Sand durch Wind aufgewirbelt wird und andernorts abgelagert und befestigt wird. Durch diesen Fakt sind Dünen sehr dynamische Lebensräume, und verschiedene Lebensraumtypen haben Bezug zu Dünen. Nach der Eiszeit fanden sich in Mitteleuropa viele Dünengebiete, aktuell sind diese bis auf Relikte (z.B. die Verdener Dünen) nur mehr an den Küsten anzutreffen. Gräser wie Strandhafer, Binsen-Quecke (Elymus farctus) oder Strandroggen (Leymus arenarius) befestigen die Düne und bremsen den Wind. Generell werden Pflanzen, die an ein Leben im bewegten Sand und an Trockenheit angepasst sind, Psammophyten genannt. Nachdem Spülsäume erste Ansiedlungsmöglichkeiten für Pflanzen bieten, sammelt sich mit der Zeit hinter dem Strand ein Haufen Sand an, der dann als Weißdüne bezeichnet wird, da der Sand noch frisch ist und keine Humusbildung stattgefunden hat. Genau das ist dann der Grund für die vom Strand aus gesehen weiter landeinwärts vorkommenden Graudünen. Zeitlich noch später können daraus dann Braundünen entstehen. Mit Zunahme der Sukzessionsstadien ändern sich auch Vegetationsverhältnisse, in Graudünen finden sich schon viele Gräser, Moose und Flechten, in Braundünen dann Heidearten.

Strandhafer und Meersenf (beide im Vordergrund) befestigen durch starke Wurzelausbildung heranwehenden Sand und schaffen so die Grundlage für Dünenbildung
Typische Düne mit Sanddorn (vorne rechts), Kartoffelrose (mittig links) und Strandhafer (das Gras dazwischen)
Viele typische Vertreter der Dünenvegetation konnten aufgefunden werden. Auffallend waren neben Strandroggen und Strandhafer Meersenf (Cakile maritima), Salzmiere (Honckenya peploides), Strandkamille (Tripleurospermum maritimum agg.) Kali-Salzkraut (Kali turgida), Acker-Gänsedistel (Sonchus arvensis) und Stranddistel (Eryngium maritimum, jedoch nur noch vertrocknet). An Sträuchern fielen im Hinterland der Düne Sanddorn (Hyppophae rhamnoides), diverse Weiden und die Kartoffel-Rose (Rosa rugosa) auf. Letztere wurde zur Dünenbefestigung angepflanzt, kommt aber ursprünglich aus Asien und gilt vielerorts als problematischer Neophyt. Auch der "Bremer Gruß", das Schmalblättrige Greiskraut (Senecio inaequidens) blühte fröhlich und häufig zwischen den Dünen.

Meersenf (Cakile maritima)
Salzmiere (Honckenya peploides)
Geruchlose Strandkamille (Tripleurospermum maritimum agg.)
Mir hat die Exkursion sehr viel Spaß gemacht und neben einem guten Einstieg in die Küstenvegetation habe ich auch viele Vögel zu Gesicht bekommen, von denen ich nicht mal wusste, dass sie existieren. Leider waren viele Pflanzen schon verblüht, so dass man nur eine Momentaufnahme vom Ende der Blühperiode bekommen konnte (Es macht das Bestimmen ja nicht leichter). Umso schöner, dass doch so viele typische Arten gesichtet werden konnten. Abgesehen von den fachlichen Eindrücken hat es auch mit den Teilnehmern sehr gut geklappt und viel Freude und Spaß gemacht. Es war sicherlich nicht das letzte Mal für mich auf Helgoland!

In dem Sinne eine gute Zeit,

Micha

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Weiterführende Literatur:

ADOLPHI, K. (2008): Neues zur Flora von Helgoland. - Braunschweiger Geobotanische Arbeiten 9: 9 - 19. Link

DIERSCHKE, H. & WALBRUN, B. (1986): Die Vegetation der Fels-Steilküste von Helgoland. - Schr. Naturwiss. Ver. Schlesw.-Holst. 56: 35 - 42. Link

ELLENBERG, H. & LEUSCHNER, C. (2010): Vegetation Mitteleruopas mit den Alpen. 6. Aufl. Ulmer Verlag, Stuttgart. 1333 S.

Flora von Helgoland der Naturhistorischen Gesellschaft Nürnberg

Mittwoch, 10. September 2014

Finale Planung Helgoland-Exkursion

Moin Leute,

mittlerweile hat sich klar herauskristallisiert, dass unsere Helgoland-Exkursion am letzten September-Wochenende vom 26.09. - 28.09.2014 stattfinden wird.

Hin- und Rückfahrt

Wir haben uns für die "klassisch-maritime" Variante mit der Fähre "MS Atlantis" um 10:30 Uhr von Cuxhaven entschieden. Das Schiff benötigt für die Überfahrt ca. 2 Std 20 Min. Hin- und Rückfahrt (So. um 16:20) kosten zusammen 48,60 € und müssen von jedem Teilnehmer selbstständig hier gebucht werden. Für Teilnehmer die zu Seekrankheit neigen empfiehlt es sich Kaugummis einzustecken ;-)

Die Anfahrt von Bremen nach Cuxhaven geschieht idealerweise mit Hilfe des Semestertickets mit dem RE 4404 um 7:56 nach Bremerhaven. Dort muss um 08:41 in den EVB82656 nach Cuxhaven umgestiegen werden, der dort um 09:27 ankommt (Semesterticket behält auf der Strecke Gültigkeit).

Versorgung vor Ort

Wir werden auf der Nebeninsel, der Helgoländer Düne, auf dem Campingplatz unterkommen. Die Unterbringung kostet pro Zeltplatz 7 € und pro Person 4 €. Daher ist es auch am günstigsten, wenn man sich ein Zelt teilt. Damit kein Teilnehmer auf höheren Übernachtungsgebühren sitzen bleibt bietet es sich an die Gesamtgebühren durch die Anzahl der Personen fair zu teilen. Nachts kann es mitunter schon recht kalt werden, also ist ein warmer Schlafsack bzw. eine warme Decke von Vorteil. Zu der Übernachtung kommt noch eine Kurtaxe von 2,75 die Nacht.

Auf den Inseln kann es mitunter sehr stürmisch werden, folglich ist winddichte, warme Kleidung ein Muss! Am besten auch Handschuhe einpacken.

Lebensmittel einzukaufen ist auf Helgoland nur auf der Hauptinsel möglich. Dort gibt es einen EDEKA, der allerdings auch recht teuer ist. Selbstverpflegung sollte daher am besten bereits zuhause besorgt werden.

Die Fähre zwischen der Hauptinsel und der Düne ist mit 5 € pro Fahrt ebenfalls nicht grade ein Schnäppchen. Wir haben uns daher folgende Planung überlegt: Am Freitag zur Düne und Zelt aufbauen und den restlichen Tag auf der Düne verbringen - es gibt auch hier viel zu sehen. Samstag dann den ganzen Tag auf der Hauptinsel und abends wieder zurück. Sonntag dann Zelte abbauen und wieder zurück zur Hauptinsel. Das macht dann vier Fahrten = 20 €.

Nachtrag zur Fauna und Flora

Botanisch kommen vor allem Pflanzen der Salzwiesen, Grau- und Weißdünen vor, sowie diverse Tangarten. An den Steilhängen wächst zudem der "Klippenkohl", die Stammform diverser Gemüsekohl-Arten.

Die Düne bietet sehr gute Beobachtungsmöglichkeiten für Seehund und besonders auch Kegelrobbe. Nur auf der Hauptinsel gibt es sogar einen kleinen Endemit - die Helgoländer Hausmaus (Mus musculus helgolandicus).


So, das war es erstmal an Information zum Helgoland-Trip! Wir hoffen, dass ihr euch von den anfallenden Kosten nicht allzu sehr abschrecken lasst und letzten Endes eine für alle Teilnehmer schöne und spannende Exkursion zustande kommt. Damit wir den Überblick haben wäre es nett, wenn ihr uns noch einmal eine Bestätigungsmail schickt nachdem ihr die Fähre gebucht habt. Natürlich könnt ihr uns per Mail auch noch weiterhin mit Fragen zur Exkursion löchern!

Ende Oktober ist übrigens auch noch ein Wochenend-Ausflug in den Harz mit Prof. Dr, Heiko Brunken geplant. Es soll zünftig gewandert werden! Dazu allerdings mal mehr in einem späteren Newsletter/Blog-Post.

Eure AG Artenkenntnis ;-)

Fledermäuse am Hollersee - ein kurzes Resümee


Am 17. Juli und 28. August fanden zwei Aktionen zum Kennenlernen der Fledermauswelt in Bremen statt. Zusammen mit Marco haben wir uns bei Dämmerung am Hollersee getroffen. Ausgerüstet mit einem Bat-Detektor, genauer einem Pettersson D200 Ultraschalldetektor, mit dessen Hilfe die Ultraschallrufe der Fledertiere hörbar gemacht werden, gingen wir auf die Suche. Je nach Habitat, Lebensweise und Jagdstrategie und natürlich abhängig von der Art rufen Fledermäuse nur in bestimmten Frequenzbereichen und mit wiederkehrenden Geräusch-Mustern und Rhythmen. Im Folgenden werden die angetroffenen Arten mit den hörbar gemachten Lauten beschrieben, um das Identifizieren auch für Hobby-Bat-Watcher leichter zu machen.

Übersicht der Standorte, an denen die vier Fledermausarten potenziell beobachtet werden können
 Der Große Abendsegler (Nyctalus noctula) zieht als erster bereits bei Abenddämmerung, wenn die letzten Mauersegler verstummen, seine Runden über die Baumwipfel auf der Suche nach Beuteinsekten. Diese Art ruft in einem Frequenzbereich von 20 bis 25 kHz. Die Rufe sind als tropfendes „Pling-Plong“ wahrzunehmen. Man stelle sich vor, wenn eine Platte dünnen Blechs hin und hergebogen wird – ungefähr so.

Auf dem Hollersee nach Mücken jagend haben wir die Wasserfledermaus (Myotis daubentonii) entdeckt. Im Bat-Detektor klingt das bei ca. 42 kHz wie ein „trockenes“ Maschinengewehr oder eine Nähmaschine. Hat sich die Wasserfledermaus einem Beutetier genähert, erhöhte sie ihre Ruffrequenz und es klang in der Übersetzung wie ein Reißverschluss, der zugezogen wird.

Über unseren Köpfen auf „freiem Feld“ kreiste eine Breitflügelfledermaus (Eptesicus serotinus). Ihr Ruf klingt ähnlich wie der vom Großen Abendsegler. Er ist aber rhythmischer, sozusagen gallopierend, und bei 28 kHz zu hören. Eine Assoziation könnte die Titelmelodie von Bonanza sein; das ist – wenn auch nicht ganz stimmig – immerhin eine gute Eselsbrücke. 

Näher an den Parkbäumen und –gebüschen entdeckten wir eine Zwergfledermaus (Pipistrellus pipistrellus). Bei 42 bis 46 kHz klingt der Ruf wie ein hektisches, schnelles Trappeln. Zu dieser Art noch zwei kleine side facts: In dichter Vegetation klingt dieses Trappeln eher trocken, im offenen Feld eher nass. Dadurch ist sie von den Wasserfledermäusen trotz ähnlicher Frequenz leicht zu unterscheiden, denn Myotis-Arten klingen niemals nass. Die Zwergfledermaus ist die kleinste heimische Fledermausart. Sie passt in eine Streichholzschachtel und wiegt so viel wie ein Stück Würfelzucker.

Diese vier vorgestellten Arten entsprechen dem Repertoire, das in einer stark anthropogen geprägten Umgebung wie dem Hollersee zu erwarten war und auch dort mit hoher Artabundanz auftritt. Auf einer Schautafel des Naturlehrpfads im Stadtwald Bremen sind noch weitere Arten aufgeführt, die sich in den Parkanlagen aufhalten und nachgewiesen wurden. Bei Interesse schaut dort doch einmal vorbei.

Zum Kennenlernen der 23 in Deutschland regelmäßig nachgewiesenen Arten inklusive Hörbeispiele aus dem Bat-Detektor empfiehlt sich die Website des NABU Bundesverbandes zur Batnight: http://www.nabu.de/aktionenundprojekte/batnight/artenportraits/index.html

Eine „kleine Übersicht über die Rufe unserer Fledermäuse“ erhaltet ihr hier: http://fledermaus-bayern.de/content/fldmcd/bestimmungshilfen/rufe_einheimischer_flederm_use.pdf

von Birte Albrecht

Freitag, 5. September 2014

Linksammlung Zoologie

In diesem Beitrag sollen nützliche Internetadressen zu zoologischen Themen gesammelt werden. Sicherlich wird hier immer mal wieder was Neues dazu kommen. Natürlich freuen wir uns über jeden Tipp, der die Sammlung bereichert! :)

Ornithologie

Dachverband Deutscher Avifaunisten e.V. (DDA) - Dachband der landesweiten und regionalen ornithologischen Verbände

Ornitho - Von der DDA verwaltetes Portal zur Meldung und Darstellung von Vogelbeobachtungen in Deutschland

Club300 Deutschland - Portal zur schnellen Weitergabe von avifaunistischen Seltenheiten in Deutschland

Xeno-Canto - Internationales Portal zum Teilen von Vogelstimmen (beste Quelle von Vogellauten)

Freitag, 29. August 2014

Helgoland - Planung

Hallo Leute,

wie schon kurz angesprochen hatten wir die Idee, im September für ein Wochenende nach Helgoland zu fahren, um dort zu Birden und die sonstige Fauna und Flora unter die Lupe zu nehmen. Ab September ist die Insel besonders zur Vogelbeobachtung interessant, da der Herbstzug beginnt. Mit etwas Glück können ansonsten schwer zu beobachtende Arten wie etwa Wespenbussard und Waldschnepfe aus geringer Distanz bestaunt werden. Einige der besonderen Brutvögel der Insel wie Basstölpel, Trottellumme und Dreizehenmöwe halten sich ebenfalls noch auf der Insel auf.

Wir würden wahrscheinlich Freitag hin- und Sonntag wieder zurückfahren. Es kann allerdings auch mal passieren, dass bei stürmischem Wetter die Fähre nach Helgoland einen Tag aussetzt. Darauf sollte man sich notfalls also einstellen. Zur Terminfindung haben wir ein Doodle erstellt (klick). Als Ausrüstung sollten Ferngläser/Spektiv, Bestimmungsliteratur, warmer Schlafsack/Zelt, Campingkocher usw. eingeplant werden.

Wir würden voraussichtlich aus Cuxhaven fahren (Hin- und Rückfahrt ca. 50 Euro pro Person), das Zelten an sich kostet 8 € + 2,5 € Kurtaxe pro Nacht, hinzu käme natürlich Selbstverpflegung und alles an ergänzendem Luxus :-) Der Campingplatz bietet rund um die Uhr warme Duschen. Wer kein Semesterticket hat, muss noch die Fahrt nach Cuxhaven dazu rechnen. Mit 100 Euro sollte man also schon rechnen. In Cuxhaven besteht eine reale Chance vor oder nach der Exkursion an der Kugelbarke Raubmöwen und andere seltene Küstenvögel zu beobachten.

Wer also Lust hat, mitzukommen, der sollte sich eben ins Doodle eintragen, für Rückfragen schickt einfach ne Mail an agartenkenntnis@gmail.com.

Wie imemr sind natürlich sind auch Freunde und Bekannte, die Interesse und Freude an der Biologie haben, herzlich eingeladen!

In ein paar Tagen melden wir uns dann noch einmal.

In dem Sinne ein schönes Wochenende,
Michael, Oliver und Marco

Montag, 25. August 2014

Fledermausexkursion im Bürgerpark

Hallo Leute,

am 28.8. treffen wir uns um 20:30 am Bürgerpark zum Fledermausgucken. Der genaue Treffpunkt ist hier.

Marco wird dabei sein und wir nehmen Batdetektoren mit, um zu gucken, was dort des Nachts so an Säugetieren herumfliegt. Dabei wollen wir schauen, ob wir die am 17. Juli gesichteten Arten (Zwergfledermaus, Wasserfledermaus, Breitflügelfledermaus und Großer Abendsegler) wieder finden können und gucken natürlich, ob auch was anderes dabei ist.

Nebenbei kann man dann besprechen, was man sonst noch machen kann. Wir hatten z.B. die Idee, vielleicht im September für ein Wochenende nach Helgoland zu fahren und dort zu zelten, zu birden, und was man halt sonst so auf Helgoland macht ;-)

Wir freuen uns auf euch!

Sonntag, 17. August 2014

Linksammlung Institutionen, Verbänden, Vereine u. ä.

In diesem Beitrag sollen nützliche Internetadressen zu Institutionen, Verbänden, Vereine u. ä. gesammelt werden. Sicherlich wird hier immer mal wieder was Neues dazu kommen. Natürlich freuen wir uns über jeden Tipp, der die Sammlung bereichert! :)

Bundesamt für Naturschutz  - Internetpräsenz des BfN inkl. Veröffentlichungen, Infomaterial und Datenbanken

BUISY - Bremer Umweltinformationssytem des Senators für Umwelt, Bau und Verkehr

BUND Bremen - Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland in Bremen

Biologie an der Hochschule Bremen - Informationen zum 'Internationalen Studiengang Technische und Angewandte Biologie' und zur betriebenen Forschung inkl. studentischer Beiträge zu diversen Themen

DJN - Deutscher Jugendbund für Naturbeobachtung

Gesellschaft für Ökologie - Webpräsenz der GfÖ mit Informationen u. a. zu Tagungen und Stellenangeboten

NABU Landesverband Bremen  - Bremer Webpräsenz des Naturschutzbund Deutschland e. V.

NWV Bremen  - Naturwissenschaftlicher Verein zu Bremen u. a. mit Informationen zu Vorträgen und Exkursionen

VBIO - Verband Biologie, Biowissenschaften und Biomedizin mit Informationen zu Ausbildung und Karriere

AG Praktischer Naturschutz - Pflegemaßnahmen biologisch interessanter Gebiete in und um Bremen

Dienstag, 5. August 2014

Ein Einblick in die Arbeitsweise der tropischen terrestrischen Ökologie: Der Janzen-Connell-Effekt

Der Janzen-Connell-Effekt ist ein Ansatz, um auf kleinflächigem Level (< 1 ha) die hohe Baumartendiversität in tropischen Regenwäldern und das Überleben von einer Vielzahl von koexkistierenden Spezies zu erklären. Auf einer noch kleineren Ebene greifen andere Mechanismen, bspw. direkte Konkurrenz, bei höherer Auflösung spielen z.B. Verbreitungsgrenzen, genetische und standörtliche Unterschiede eine Rolle. Benannt wurde er nach den Ökologen Daniel Janzen und Joseph Connell, die unabhängig voneinander Anfang der 70er Jahre die Hypothese publizierten, wobei Connell eher die Effekte der Distanz untersuchte, während Janzen sich ausserdem auf den Einfluss der Individuendichte konzentrierte.

Kurz gesagt sagt der Janzen-Connell-Effekt aus, dass die Überlebenswahrscheinlichkeit einer Jungpflanze umso höher ist, desto weiter sie von dem sie hervorgebrachten adulten Individuum entfernt wächst. Wirtspezifität spielt in den Tropen eine große Rolle und wird häufig als einer der Gründe für die hohe Artenvielfalt dort genannt, und genau davor schützt die Distanz zu Artgenossen: Von den gleichen Pathogenen befallen oder von wirtsspezifischen Herbivoren geschädigt zu werden, da diese u.a. weitere Artgenossen zu der begehrten Nahrungsquelle führen können (bspw. durch chemische Botenstoffe).

Der Janzen-Connell Effekt beschreibt die erhöhte Überlebenswahrscheinlichkeit in Abhängigkeit von der Entfernung eines Nachkommen zu seinem Elterbaum. Aus JANZEN (1970)
Gibt es in einem Gebiet viele verschiedene Baumarten, so ist es logisch, dass die durchschnittlichen Abstände zwischen Individuen der selben Art größer sind als in einem vergleichbaren Gebiet mit im Mittel weniger Arten. Natürlich kann es vorkommen, dass mehrere Individuen der selben Art nebeneinander wachsen, schließlich gibt es auch in den Tropen häufigere und seltenere Arten, die Realität zeigt aber, dass die Verteilung generell heterogener ist als z.B. in einem hiesigen Buchenwald. Die Dichte einer Baumart pro Fläche ist also geringer, da die Distanz zwischen ihren Individuen größer ist.

Long distance dispersal, also die Verbreitung von Samen über eine große Distanz, ist nicht ungewöhnlich im Pflanzenreich. Verschiedene Mechanismen wie morphologische Anpassungen an Windverbreitung, Ausbildung von belohnendem Fruchtfleisch für die Nutzung von Tieren als Verbreitungsvektoren oder schwimmfähige Samen wie bei der Kokosnuss, die sich sogar über Inseln und Kontinente verbreiten kann, singen ein Lied davon. Auch hier ist natürlich zu beachten, dass die Wahrscheinlichkeit, über eine größere Distanz zu dem Elterbaum verbreitet zu werden, immer kleiner wird, desto größer diese Distanz ist, was wiederum bedingt, das schädigende Organismen wie halt spezifische Herbivoren in der näheren Umgebung einer bestimmten Art auch weitere Individuen derselben finden (= distance-response). Density-response behandelt den Effekt der Häufigkeit von Individuen einer Art an einer bestimmten Stelle, wobei die Distanz zu Elterbaum keine direkte Rolle spielt. Dies können zum Beispiel Stellen sein, an denen sich mehrere adulte Bäume nahe stehen und sich so die Bereiche, in denen ihre Samen zu Boden fallen, überlappen. Distanz- und Dichteabhängigkeiten werden von SWAMY & TERBORGH (2010) definiert als "inter-trophic interactions that cause a disproportionate mortality of conspecific seeds, seedlings and other juvenile individuals in comparison to other species caused by host-specific predators around a parent tree".


Zuckerrohrplantage umgeben von atlantischem Regenwald, welcher auf Hügelkuppen konzentriert ist. Deutlich zu sehen ist der strikte Übergang zwischen den unterschiedlichen Habitaten. Foto aus Coimbra, dem größten Mata Atlântica-Komplex im Nordosten Brasiliens

In meinem Projekt ging es neben dem Janzen-Connell-Effekt auch darum, den Einfluß des sogenannten edge effects zu testen, welcher aussagt, dass (bezogen auf Regen-)Wälder an ihren Rändern durch den Einfluß von hereinfallendem Licht und Wind sowie einwandernden Arten aus umliegenden Ökosystemen durch andere Bedingungen bestimmt sind als Kerngebiete weiter im Inneren eines Waldes. Er tritt in der Übergangszone zweier unterschiedlichen Habitate auf.

Lage und Übersichtskarte von Coimbra
Der atlantische Küstenregenwald an der brasilianischen Küste ist einer der Hotspots der Biodiversität, was bedeutet, dass sich dort eine hohe Biodiversität befindet, und dass deren Habitat zu mindestens 70 % schon verloren ist. Hohe Diversität bedeutet, dass mindestens 1500 endemische Pflanzenartenvorkommen, dort sind es noch ca. 8000, was 2,7 % der Gesamtartenzahl entspricht. Bei den Wirbeltieren sind es 567 Arten (2,1 %). Es gibt dabei verschiedene "Areas of endemism", in denen eine besonders hohe Artenvielfalt herrscht, so z.B. in einigen Regionen im Bundesstaat Bahia, wo auf einem Hektar über 400 Baumarten gefunden werden können, von denen ein Viertel endemische Arten darstellen.

Vom atlantischen Regenwald sind nach Schätzungen noch ca. 10 % des ursprünglichen Areals erhalten. Und diese sowieso schon geringe Zahl wird noch dramatischer, wenn man bedenkt, dass es sich dabei nicht um ein zusammenhängendes Gebiet handelt, sondern um viele kleine, die z.T. sehr weit voneinander entfernt sind und sich oft auf Hügelkuppen beschränken, da man dort keine Landwirtschaft betreiben kann (s. Foto oben). Vorherrschend ist in Nordostbrasilien der Anbau von Zuckerrohr (Saccharum officinarum) zur Herstellung von Speisezucker und Bioethanol. Durch die Fragmentierung von Habitaten erhöht sich auch das Verhältnis von Umfang zur Fläche - ein großes Waldgebiet hat weniger Randbereiche als viele kleine. Dies erhöht somit auch den Einfluss des edge effects, und in vielen kleinen Fragmenten des atlantischen Regenwalds bleibt kaum noch Platz für ungestörte Kernflächen, die unbeeinflusst von äußeren Einflüssen bleiben. Dies stellt natürlich auch für die Fauna ein großes Problem dar, als bekanntes Beispiel sei hier auf den Fall des Goldenen Löwenäffchens (Leontopithecus rosalia) verwiesen. Durch eben die Fragmentierung des atlantischen Regenwalds wurde das Habitat dieser Art so weit verkleinert, dass es am Rande des Aussterbens stand und nun durch Zucht- und Wiederaussiedlungsprogramme versucht wird, die Populationen zu vergrößern. Auch die illegale Jagd ist ein Problem, da die ohnehin gestörten Populationen größerer Herbivoren zusätzlich dezimiert werden. Durch ihre soziale Lage sind jedoch viele Menschen gezwungen, auf diese zusätzliche, günstige Nahrungsquelle zurückzugreifen. Ich finde, man kann die Schuld hier nicht abladen, denn wäre der Wald ungestört und zu großen Teilen in gutem Zustand erhalten, wäre die Entnahme von Lebewesen zur Nutzung, wie es ja traditionell immer war, auch kein Problem. Aber das hilft den heute bedrohten Tier- und Pflanzenarten auch nicht, daher ist das Schaffen eines Bewusstseins durch (Umwelt-) Bildung unabdingbar für eine nachhaltige Entwicklungsstrategie.

Waldrand
 Blattschneiderameisen (Gattungen Atta und Acromyrmex) haben einen großen Einfluss auf die Vegetation. Durch ihre Aktivitäten lichten sie das Blätterdach des Waldes und erhöhen so die Lichtmenge, die in die unteren Schichten des Regenwaldes fällt. Durch ihre große Zahl können sie dadurch sogar Pflanzengesellschaften verändern, so dass lichtbedürftige Pflanzen, die sonst eher als Pioniere auf gestörten Flächen wachsen, eine Chance haben, sich zu etablieren. Nun gibt es auch gewisse Spezies von Blattschneiderameisen, die genau auf solche Störungen reagieren und vor allem an Waldrändern anzutreffen sind, da die dort anzutreffenden Pioniergewächse schnell wachsen, sich aber häufig nicht so effektiv verteidigen wie Baumarten, die sich in der Klimaxvegetation einstellen. Kolonien von Blattschneidern können jährlich 35 Tonnen Laub ernten bzw. 13 % des stehenden Blattmaterials in ihrem Habitat verbrauchen. Die großen Mengen von Blättern sammeln sie, um Pilzgärten zu unterhalten, mit denen sie in einer symbiotischen Beziehung leben.



Auch sonst läuft einem das ein oder andere Viech über den Weg...
...daher ist bei der Feldarbeit besondere Vorsicht notwendig. Größere Tiere begegenen einem aber so gut wie gar nicht, viele Säugetiere werden auch aktiv bejagt
Bezeichnend: Das Logo der NGO "SOS Mata Atlântica" (Quelle: www.sosma.org.br)

Um diesen Effekt zu testen, markierten wir 1030 juvenile Baumindividuen in sieben Dauerflächen (20 x 20 m) in einem großen Patch von atlantischem Regenwald im nordöstlichen Bundesstaat Alagoas in Brasilien (Coimbra, s. Karte oben). Juvenile haben wir definiert als alle Individuen, die zwischen 100 und 250 cm hoch sind. Die Dauerflächen wurden als Koordinatensysteme genutzt (quasi von oben gesehen), so dass jedem Baum eine Punktkoordinate zugeordnet wurde, um Aussagen über die Abstände machen zu können. Von jedem markierten Baum wurde ausserdem ein repräsentativer Astabschnitt mit Blättern abgeschnitten und mitgenommen, um Individuen derselben Art erkennen zu können. Ausserdem wurde der Brusthöhendurchmesser für jedes juvenile Individuum gemessen.

Viel Material ist nicht nötig: Utensilien zum Aufschreiben, Höhe und Brusthöhendurchmesser aufnehmen, Bäume markieren, Plots einmessen und Proben nehmen
Ecke eines Plots

Ein markierter juveniler Baum
Die Proben wurden dann von mir einander zugeordnet, und zwar nach morphologischen Merkmalen (= Morphotypen). Nun ist es nicht unwahrscheinlich, dass sich dort Fehler eingeschlichen haben, schließlich hatte ich nur Astabschnitte zur Verfügung und keinerlei Ahnung von der Bestimmung tropischer Bäume. Trotzdem ließ sich das Ganze einigermaßen gut bewerkstelligen (nach eigenen Maßstäben). Die Proben hatten ja alle eine Nummer, so dass im Anschluss über das erstellte Koordinatensystem und ein bisschen Mathe (sowie Computerhilfe) die Abstände zwischen Individuen in Metern ermittelt werden konnte.


Zuordnen von Pflanzenproben zu Morphotypen, also nach optisch identischen Merkmalen

Realer Plot
Erstellte Karte mit Vermerken aller juvenilen Baumindividuen desselben Plots
Nach der Annahme, dass Individuen häufigerer Baumarten (in dem Fall also die Morphotypen) im Mittel eine geringere Distanz zueinander haben, müsste man eine Korrelation zwischen der mittleren Distanz und der Häufigkeit finden. Diese ist in den aufgenommenen Daten so nicht zu finden (s. untere Abbildung). Bei einer perfekten Korrelation würde eine gedachte Trendlinie von links oben (wenig Individuen im Plot, daher großer Abstand zwischen diesen) nach rechts unten (viele Individuen im Plot, daher geringer Abstand zwischen diesen) verlaufen. Man kann aber erkennen, dass es viele Morphotypen gibt (denn für je einen steht ein Punkt in dem Koordinatensystem), die nicht häufig vorkommen, aber ganz verschiedenene Distanzwerte haben. Tatsächlich wurden von den 308 verschiedenen Morphotypen die meisten weniger als zehnmal in allen Plots gefunden, es wurden schließlich auch "nur" 1030 Individuen untersucht. Die höchste mittlere Distanz lag bei 14,64 m, die niedrigste bei 1,50 m. Der Korrelationskoeffizient, der das Maß der Linearität zwischen den beiden Variablen ausdrückt, lag bei ~0,1, jedoch war dieser Wert statistisch nicht signifikant (Irrtumswahrscheinlichkeit p > 0,5).  Ein Korrelationskoeffizient von 1 würde bedeuten, dass ein perfekter positiver linearer Zusammenhang besteht, einer von -1 dasselbe in negativ. Beträgt er 0, so besteht kein (linearer) Zusammenhang. So viel zum Ergebnis, wobei hinzugefügt sei, dass ich zu der Zeit keinerlei Ahnung von Statistik hatte und mich so auf die Aussagen bzw. Vorgehensweisen von Zweiten berufen muss.

Verhältnis von mittlerer Distanz konspezifischer Individuen zu deren Häufigkeit

Was kann man nun davon mitnehmen? In Bezug auf den Janzen-Connell Effekt ist zu sagen, dass er natürlich nur eine Hypothese ist, die getestet werden kann, aber nicht stimmen muss. In der Literatur sind in der Tat gegenläufige Meinungen zu hören, es gibt sowohl Befürworter als auch Gegensprecher wie auch Experimente, die die Hypothese untermauern bzw. untergraben, wobei erstere überwiegen. Natürlich gibt es auch in der Methodik Ansatzpunkte,über die diskutiert werden kann, einmal natürlich die mangelnde Möglichkeit der genauen Identifikation (selbst Experten, welche sowieso ständig ausgebucht sind, haben Schwierigkeiten mit der genauen Artbestimmung), sowie der relativ geringe Stichprobenumfang. Es mag sein, dass bei einer größeren Zahl an gemessenen Individuen bzw. Plots ein genauerer Effekt herauszulesen ist. Ausserdem ging es hier nur um die Distanz von juvenilen Individuen zueinander, die adulten Bäume wurden vollkommen ausser Acht gelassen. Man weiß also nicht, von welcher Distanz diese in die Plots eingewandert sind bzw. ob überhaupt Elterbäume im Plot vorkommen. Die Samen von durch Tiere verbreitete Bäume können mitunter große Strecken zurücklegen, und die Plots haben eine Größe von 20 x 20 m. Auch die Gruppierung von Individuen derselben Art könnte dazu führen, dass trotz weniger Vorkommen eine geringe Distanz zwischen diesen besteht.

Die weiteren Ergebnisse (Einfluss des edge effects - gleiche Analyse in Regenwaldfragmenten statt wie hier in einem großen Patch zum Vergleich) sind noch nicht veröffentlicht, daher kann bzw. darf ich an dieser Stelle nichts dazu sagen.

Ich möchte hier auch keine seitenlange Diskussion dazu schreiben, sondern wollte eher einen Einblick in die Arbeitsweise der tropischen Ökologie und einen Überblick über das Ökosystem Mata Atlântica und den Janzen-Connell Effekt geben. Für Menschen mit Interesse an dem Thema habe ich noch ein paar Quellen, in denen auch weiterführende Literatur angegeben ist, ans Ende gestellt.

Der Text dreht sich um Erfahrungen, die ich während meines Praktikums am Laboratório de Ecologia Vegetal der Universität Recife (UFPE) im Frühjahr und Sommer 2011 gemacht habe. Besonderer Dank geht an die Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Marcelo Tabarelli, insbesondere an Edgar Silva, der mein Betreuer war und von dessen Doktorarbeit mein Projekt ein Teil war.

Weiterführende Quellen:

CLARKE, D. A. & CLARKE, D. B. (1984): Spacing Dynamics of a Tropical Rain Forest Tree: Evaluation of the Janzen-Connell Model. The American Naturalist 124: 769 - 788.

LEVEY, D. J., SILVA, W. R. & GALETTI, M. (2002): Seed dispersal and Frugivory: Ecology, Evolution and Conservation. CABI Publishing, Wallingford. 511 S.

JANZEN, D. H. (1970): Herbivores and the Number of Tree Species in Tropical Forests. The American Naturalist 104: 501 - 528.

MYERS, N., MITTERMEIER, R. A., MITTERMEIER, C. G., DA FONSECA, G. A. B. & KENT, J. (2000): Biodiversity Hotspots for conservation priorities. Nature 403: 853 - 858.

RIBEIRO, M. C., METZGER, J. P., MARTENSEN, A. C., PONZONI, F. J. & HIROTA, M. M. (2009): The Brazilian Atlantic Forest: How much is left, and how is the remaining forest distributed? Implications for conservation. Biological Conservation 142: 1141 - 1153.

SWAMY, V. & TERBORGH, J. W. (2010): Distance-responsive natural enemies strongly influence seedling establishment patterns of multiple species in an Amazonian rain forest. Journal of Ecology 98: 1096 - 1107.

TABARELLI, M., LOPES, A. V. & PERES, C. A. (2008): Edge-effects Drive Tropical Forest Fragments Towards an Early-Successional System. Biotropica 40: 657 - 661.

WIRTH, R., MEYER, S. T., ALMEIDA, W. R., ARAÚJO JR., M. V., BARBOSA, V. S. & LEAL, I. R. (2007): Increasing densities of leaf-cutting ants (Atta spp.) with proximity to the edge in a Brazilian Atlantic Forest. Journal Of Tropical Ecology 23: 501 - 505.

Informationen des IUCN über das Goldene Löwenäffchen

Homepage der NGO SOS Mata Atlântica (portugiesisch)

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Micha

Donnerstag, 17. Juli 2014

Pennhop - weitere(r) Termin(e)

Hey Leute,

ich wollte evtl. Sonntag, Montag oder Dienstag (Zeitraum 20. bis 22.Juli) noch mal auf die Fläche rauf, um etwas weiter zu arbeiten. Ich bin zur Zeit im Urlaub und weiß daher nicht, wie es dort aktuell aussieht und wie gut sich die Flächen im gemähten Zustand aufnehmen lassen. Das müsste man halt mal auschecken, aber nach RL-Arten kann man alle mal suchen. Interessenten schreiben am Besten einfach an die AG-Mail (agartenkenntnis@gmail.com), um das terminliche zu klären.

Ansonsten, genießt und nutzt das gute Wetter!

Sommerliche Grüße,

Micha

Samstag, 5. Juli 2014

Pennhop - weitere Infos

Hallo Leute,

ich war Donnerstag im Gebiet unterwegs, habe mir alles ein bisschen angeguckt und drei Probeflächen untersucht. Es gibt dort viele schöne Arten zu sehen, neben einigen RL-Pflanzen und natürlich vielen Gräsern fiel mir die Insektenfauna auf. Neben verschiedenen Grünlandbereichen und pflanzenreichen Wegsäumen gibt es einige reich bewachsene Gräben, die von der Sumpf-Calla (Calla palustris, RL 3) dominiert werden. An Gräsern findet man bspw. Holcus lanatus, Deschampsia caespitosa, Poa trivialis, Poa pratensis, Antoxanthum odoratum, Agrostis capillaris, Agrostis stolonifera, Alopecurus geniculatus, Phleum pratense und andere. In den feuchteren Bereichen findet man Moorarten wie Rundblättriger Sonnentau (Drosera rotundifolia), Scheidiges Wollgras (Eriophorum vaginatum), Blutwurz (Potentilla erecta) und Glockenheide (Erica tetralix). An Wegrändern und auf den Flächen findet man neben Gräsern Krautige wie Gelbe Wiesenraute (Thalictrum flavum), Gemeiner Gilbweiderich (Lysimachia vulgaris), Sumpf-Kratzdistel (Cirsium palustre), Kriechender Hahnenfuß (Ranunculus repens), Weißen und Roten Klee (Trifolium repens und T. pratense), Schmalblättriges Weidenröschen (Epilobium angustifolium) und viele andere.

Das Gebiet wurde wie gesagt als Ausgleichmaßnahme für ein Gewerbegebiet in Bremerhaven vorgesehen. Dabei entstand ein Graben-Grünlandgebiet auf ehemaligem Hochmoor in Pennhop bei Schiffdorf bei Bremerhaven, direkt am Naturschutzgebiet Ochsentriftmoor mit Sellstedter See. Der Pflege und Entwicklungsplan sah umfangreiche Maßnahmen zur Förderung und Entwicklung der Tier- und Pflanzenwelt wie Extensivierung der landwirtschaftlichen Nutzung, Wiedervernässung des Gebietes durch geregeltes Staumanagement und natürliche Entwicklung (Sukzession) auf einigen Teilflächen vor. Von 1998 bis 2007 wurden dazu die Auswirkungen auf die Lebensgemeinschaft dokumentiert, und zwar durch Kartierung von Feuchtezeigern (z.B. Cardamine pratensis, Cirsium palustre), Vegetationsbeständen durch Dauerflächen, Biotoptypen, Brutvogelgemeinschaft und seltenen Pflanzenarten (im Bericht angegeben: Calla palustris, Carex echinata, Carex rostrata, Catabrosa aquatica, Drosera rotundifolia, Drosera intermedia, Erica tetralix, Eriophorum angustifolium, Eriophorum vaginatum, Juncus squarrosus, Lycopodiella inundata, Myosurus minimus, Myrica gale, Osmunda regalis, Peplis portula, Potentilla palustris, Rhynchospora alba, Stellaria palustris, Viola palustris, Sphagnum rubellum, S. magellanicum, S. compactum, wobei einige dieser Arten heute nicht mehr auf der Roten Liste stehen).

Sowohl Vegetation als auch Avifauna reagierten positiv auf die Maßnahmen. Ein Anstieg von Rote Liste Pflanzenarten und Feucht- sowie Magerkeitszeigern konnte ebenso verzeichnet werden wie der Anstieg von Brutpaaren von seltenen Vogelarten wie Wiesenpieper und Neuntöter und konstante Vorkommen von Braun- und Schwarzkehlchen.

Was man machen könnte, wäre, zu versuchen, alle Probeflächen aufzunehmen, an den verzeichneten Stadorten zu gucken, ob Rote Liste-Arten noch vorhanden sind oder sich ausgebreitet haben und generell Artenlisten von verschiedenen Flächen zu machen und die Biotoptypen zu bestimmen, man geht ja eh über die Flächen rüber. Wie weit wir kommen, gucken wir dann.

Hier noch ein paar Eindrücke aus dem Gebiet:

Grünlandbereich I

Grünlandbereich II

Grünlandbereich III

Nicht mehr genutzter Weg, sehr feucht, mit Sonnentau und anderen Moorarten
Eine Probefläche

Allerlei Gräser mit Flatter-Binse (Juncus effusus)

Calla palustris, ein Aronstabgewächse mit typischem weißen Hochblatt (RL 3)

Drosera rotundifolia (RL 3)

Blätter von Viola palustris

Breitblättriger Rohrkolben (Typha longifolia)

Torfmoose (Sphagnum spec.)

Blütenstand der Gelben Wiesenraute (Thalictrum flavum, RL 3)