Obwohl die Exkursion aufgrund des Zeitpunktes (zum Ende der Vegetationsperiode hin) eher ornithologisch ausgerichtet war, blieb es natürlich nicht aus, dass sich auch die Pflanzenwelt einer genaueren Betrachtung unterziehen musste. Ist doch Helgoland dank seines exponierten Standortes in der Nordsee floristisch sehr spannend, zumal das Thema ja auch im Rahmen des Studiums höchstens nebenbei behandelt wird. Mit ein bisschen Literaturrecherche und den richtigen Büchern lässt sich aber trotzdem ein grobes Bild der Vegetationsverhältnisse auf den Inseln zeichnen.
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Das Wahrzeichen Helgolands: Die Lange Anna. Gut zu erkennen sind auch die Sedimentschichten in dem Buntsandstein der Küstenfelsen |
Helgoland ist "Deutschlands einzige Hochseeinsel" (wobei die Insel per Definition noch zum Landsockel und damit nicht zur hohen See gehört) und ist vom schleswig-holsteinischen bzw. niedersächsischen Festland je über 50 km entfernt. Aufgrund der Nähe zum Wasser ist das Klima stark atlantisch geprägt, Schnee ist selten und so richtig kalt (< -5° C) wird es auch im Winter kaum, weshalb auf der Insel auch sonst eher südlicher erwartete Pflanzensippen vorkommen, bspw. die Zimmeraralien (
Fatsia japonica) im kleinen Park vor dem Edeka oder eine Araukarie (
Araucaria spec.) im Kurpark. Auch andere wärmebenötigende Pflanzen wie Feige, Lorbeere und Maulbeere konnten erfolgreich ausgebracht werden und tragen Früchte.
Helgoland entstand durch tektonische Aktivität, in dem sich ein Salzstock auf dem Gebiet der heutigen Insel anhob und die oberen Schichten empor drückte. Der Buntsandstein des heute sichtbaren Teiles der geologischen Schichtung ist durch oxidierte Eisen- und Aluminiumanteile rötlich gefärbt. Durch starke Einwirkung von Wind und Wetter ist Helgoland generell ein sehr dynamischer Standort und ständig im Wandel begriffen, es ist jedoch auch durch den Menschen stark überformt. So kam es nach dem zweiten Weltkrieg zur Sprengung von unterirdischen Bunkeranlagen, die Explosion wird im Nachhinein als größte nichtnuklear verteilte Sprengung in der Geschichte angesehen, die das Bild der Insel nachhaltig veränderte, dadurch entstand z.B. auch das Mittelland.
Als Charakterpflanze Helgolands wird oft der den Exkursionsteilnehmern nun gut bekannte "Klippenkohl" (
Brassica oleracea ssp.
oleracea), die Stammform der uns bekannten Kohlarten (Wirsing, Rosenkohl & co) gehandelt, die in Deutschland nur auf Helgoland zu finden ist. Auch wir konnten diese Pflanze zwar nicht in Blüte, dafür doch zahlreich über die Insel verstreut beobachten. Die Gattung steht Pate für die Familie der Kreuzblütengewächse (Brassicaceae), zu denen die Art natürlich ebenfalls zuzuordnen ist. Im Frühjahr färbt ein Blütenmeer aus den familientypischen vierzähligen Blüten die Insel schwefelgelb, und familientypisch sind ebenso die Schoten, in denen die Samen enthalten sind. Die Pflanze wächst aufrecht, ist wenig verzweigt und hat bläulich bereifte Blätter. Ihre Wuchshöhe kann bis zu 120 cm betragen und ihr natürlicher Standort sind Felsen in ozeanisch geprägten Küstenbereichen, ausser auf Helgoland z.B. in Frankreich.
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"Klippenkohl", Brassica oleracea ssp. oleracea |
Eine weitere floristische Besonderheit ist der Meerfenchel (
Crithmum maritimum) aus der Familie der Doldenblütler (Apiaceae). Die Art wurde bereits 1935 mit einem Exemplar auf der Düne nachgewiesen, was aber ein Einzelfall gewesen zu sein schien, denn erst 2001 konnten weitere Exemplare aufgefunden werden. Seit dem ist der Bestand ziemlich angewachsen, und in den Fugen der Befestigungsanlage am Kringel als auch in den dortigen Felsen waren zahlreiche Exemplare auszumachen. Sie kann ihre Wurzeln gut im Gestein verankern, so dass sie auch Sturmfluten übersteht.
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Meerfenchel (Crithmum maritimum) |
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Großer Bestand des Meerfenchels an den Felshängen am Kringel |
Viele Pflanzenarten der Salzwiesen konnten im Laufe des Wochenendes entdeckt werden. Salzwiesen sind Bestände krautiger Pflanzen, die regelmäßig oder unregelmäßig vom Meer überflutet werden und daher Arten beinhalten, die Salz tolerieren können (Halophyten). Salz hat verschiedene Auswirkungen auf Pflanzen, vor allem die erschwerte Wasseraufnahme durch osmotische Effekte, aber auch Unregelmäßigkeiten im Ionenhaushalt und Einfluss auf verschiedene Stoffwechselbereiche.
Durch die Einwirkung des Menschen z.B. durch die Errichtung von Wellenbrechern und Wällen, die das Wasser an der Überschwemmung des Landes hindern, bekamen wir keine Salzwiese im Lehrbuchsinne zu Gesicht, wohl aber bei Fluten überschwemmte und durch Gischt beeinflusste Bereiche, an denen genug Salz abgelagert wird, so dass Halophyten dort wachsen können und nicht von eventuell konkurrenzstärkeren Pflanzen, die weniger Salz tolerieren können, verdrängt werden. Vor allem im Osten des Südhafengeländes war eine schöne Wiese mit typischen Salzpflanzen zu sehen, und auch auf den Befestigungsanlagen am Kringel wuchsen viele salztolerante Arten. Über die Insel verstreut und natürlich auch auf der Düne konnten aber immer wieder solche Küstenpflanzen beobachtet werden, bspw. die Grasnelke am Nordoststrand. Generell fallen ja die Worte "Strand", "Meer" und "Salz" in den Trivialnamen auf. Aufgrund der geringen Größe der Inseln ist ein gewisser Einfluss des Salzes sicherlich überall vorhanden.
Neben der Salzproblematik, mit der Pflanzen irgendwie physiologisch umgehen müssen, sind auch Trockenheit und Wind Stressfaktoren. Der Untergrund aus Sandstein ist porös und lässt Wasser leicht abfließen, zusätzlich trocknen starke Winde die Humusschicht leicht aus und im Sommer regnet es oft wochenlang nicht. Anpassungen an diese Bedingungen sind z.B. die Ausbildung von sukkulenten Blättern oder anderen Pflanzenteilen, die bei vielen Arten beobachtet werden konnte (Strandkamille, Meersenf, Salzmiere, Strand-Wegerich, Meerfenchel, um nur einige zu nennen). Auch andere morphologische Anpassungen wie die Bildung von Absalzhaaren (Strand-Salzmelde), die Salze anreichern und dann abbrechen, Absalzdrüsen (Grasnelke), die aufgenommene Salze wieder ausscheiden können oder das Abwerfen von Pflanzenteilen wie alten Blättern, in denen die Salzkonzentration zu hoch geworden ist (Strand-Wegerich) sind Beispiele dafür. Einige Eindrücke und Fotos von den Pflanzen:
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Durch Salzspray beeinflusste, direkt hinter der Kaimauer im Osten des Südhafengeländes gelegene Wiese mit Arten wie Strand-Beifuß, Krähenfuß-Wegerich und Salz-Schuppenmiere. |
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Gewöhnliche Grasnelke (Armeria maritima) |
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Blütendetail der Grasnelke, die im Übrigen nicht zu den Nelkengewächsen (Caryophyllaceae) gehört, sondern zu den Bleiwurzgewächsen (Plumbaginaceae). |
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Strand-Wegerich (Plantago maritima) |
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Krähenfuß-Wegerich (Plantago coronopus) |
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Strand-Beifuß (Artemisia maritima) |
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Strand-Beifuß |
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Salz-Schuppenmiere (Spergularia salina) |
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Strand-Salzmelde (Atriplex portulacoides) |
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Strand-Sode (Suaeda maritima) |
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Strand-Melde (Atriplex littoralis) |
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Strand-Melde, Habitus |
Auf der Düne, einer kleinen Sandbank vor der Hauptinsel, lag unser Campingplatz und dem Namen entsprechend dominierten hier im Gegensatz zu dem eher felsigen Bild der Hauptinsel Sanddünen.
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Die Düne vom Oberland der Hauptinsel aus gesehen |
Dünen entstehen, wenn Sand durch Wind aufgewirbelt wird und andernorts abgelagert und befestigt wird. Durch diesen Fakt sind Dünen sehr dynamische Lebensräume, und verschiedene Lebensraumtypen haben Bezug zu Dünen. Nach der Eiszeit fanden sich in Mitteleuropa viele Dünengebiete, aktuell sind diese bis auf Relikte (z.B. die Verdener Dünen) nur mehr an den Küsten anzutreffen. Gräser wie Strandhafer, Binsen-Quecke (
Elymus farctus) oder Strandroggen (
Leymus arenarius) befestigen die Düne und bremsen den Wind. Generell werden Pflanzen, die an ein Leben im bewegten Sand und an Trockenheit angepasst sind, Psammophyten genannt. Nachdem Spülsäume erste Ansiedlungsmöglichkeiten für Pflanzen bieten, sammelt sich mit der Zeit hinter dem Strand ein Haufen Sand an, der dann als Weißdüne bezeichnet wird, da der Sand noch frisch ist und keine Humusbildung stattgefunden hat. Genau das ist dann der Grund für die vom Strand aus gesehen weiter landeinwärts vorkommenden Graudünen. Zeitlich noch später können daraus dann Braundünen entstehen. Mit Zunahme der Sukzessionsstadien ändern sich auch Vegetationsverhältnisse, in Graudünen finden sich schon viele Gräser, Moose und Flechten, in Braundünen dann Heidearten.
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Strandhafer und Meersenf (beide im Vordergrund) befestigen durch starke Wurzelausbildung heranwehenden Sand und schaffen so die Grundlage für Dünenbildung |
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Typische Düne mit Sanddorn (vorne rechts), Kartoffelrose (mittig links) und Strandhafer (das Gras dazwischen) |
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Viele typische Vertreter der Dünenvegetation konnten aufgefunden werden. Auffallend waren neben Strandroggen und Strandhafer Meersenf (
Cakile maritima), Salzmiere (
Honckenya peploides), Strandkamille (
Tripleurospermum maritimum agg.) Kali-Salzkraut (
Kali turgida), Acker-Gänsedistel (
Sonchus arvensis) und Stranddistel (
Eryngium maritimum, jedoch nur noch vertrocknet). An Sträuchern fielen im Hinterland der Düne Sanddorn (
Hyppophae rhamnoides), diverse Weiden und die Kartoffel-Rose (
Rosa rugosa) auf. Letztere wurde zur Dünenbefestigung angepflanzt, kommt aber ursprünglich aus Asien und gilt vielerorts als problematischer Neophyt. Auch der "Bremer Gruß", das Schmalblättrige Greiskraut (
Senecio inaequidens) blühte fröhlich und häufig zwischen den Dünen.
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Meersenf (Cakile maritima) |
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Salzmiere (Honckenya peploides) |
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Geruchlose Strandkamille (Tripleurospermum maritimum agg.) |
Mir hat die Exkursion sehr viel Spaß gemacht und neben einem guten Einstieg in die Küstenvegetation habe ich auch viele Vögel zu Gesicht bekommen, von denen ich nicht mal wusste, dass sie existieren. Leider waren viele Pflanzen schon verblüht, so dass man nur eine Momentaufnahme vom Ende der Blühperiode bekommen konnte (Es macht das Bestimmen ja nicht leichter). Umso schöner, dass doch so viele typische Arten gesichtet werden konnten. Abgesehen von den fachlichen Eindrücken hat es auch mit den Teilnehmern sehr gut geklappt und viel Freude und Spaß gemacht. Es war sicherlich nicht das letzte Mal für mich auf Helgoland!
In dem Sinne eine gute Zeit,
Micha
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Weiterführende Literatur:
ADOLPHI, K. (2008): Neues zur Flora von Helgoland. - Braunschweiger Geobotanische Arbeiten
9: 9 - 19.
Link
DIERSCHKE, H. & WALBRUN, B. (1986): Die Vegetation der Fels-Steilküste von Helgoland. - Schr. Naturwiss. Ver. Schlesw.-Holst.
56: 35 - 42.
Link
ELLENBERG, H. & LEUSCHNER, C. (2010): Vegetation Mitteleruopas mit den Alpen. 6. Aufl. Ulmer Verlag, Stuttgart. 1333 S.
Flora von Helgoland der Naturhistorischen Gesellschaft Nürnberg
Helgoland ist richtig prima, könnte ich auch öfter hinfahren. Danke für das Foto mit dem Meersenf. Hab ich jetzt in Irland gesehen, wusste bisher aber nicht, was es ist.
AntwortenLöschenLG Andrea
Gibt es Kiefern auf Helgoland?
AntwortenLöschenJa, aber nicht die Waldkiefer. Folgende Arten sind angepflanzt: Pinus nigra, Pinus pinaster (1 Ex.), Pinus radiata (1Ex.). Gehen Sie auf die Webseite der Naturhistorischen Gesellschaft Nürnberg
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