Ergänzend zu dem
Eintrag über alpine Ökologie wollte ich ja immer noch mal ein paar Fotos von Pflanzen posten, die mir während meiner Feldarbeit, vor allem beim Aufnehmen der Vegetation im Sommer, so untergekommen sind. In diesem Beitrag soll es im Gegensatz zu dem anderen weniger um Inhaltliches, als mehr um die Pflanzen an sich gehen, daher werde ich nicht zu jeder Art etwas schreiben. Schließlich gehen jedes Jahr viele Studis nach Norwegen, bzw. Skandinavien, da kann es nicht schaden, schon mal ein paar Pflanzen zumindest gesehen zu haben. Vielleicht hat ja sogar der ein oder andere den ein oder anderen Aha-Effekt.
Dabei sei angemerkt, das nicht alle Pflanzen ausschließlich an die in der Überschrift genannten Lebensräume gebunden oder dafür typisch sind, aber dort habe ich sie nun einmal fotografiert.
Die ersten Fotos sind vom Samsj
ø, nahe Melhus in Mittelnorwegen. Das Gebiet ist etwas mooriger als das Dovrefjell, daher findet man auch etwas andere Arten.
Langblättriger Sonnentau (Drosera anglica) - Droseraceae
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Langblättriger Sonnentau |
Eine von drei Sonnentauarten, die in Mittel- und Nordeuropa vorkommen (die anderen sind
D. rotundifolia und
D. intermedia). Fleischfressende Pflanze, an den Blattspreiten sind rötliche Tentakel ausgebildet, die durch Klebedrüsen ein Sekret absondern. Insekten fliegen voll drauf ab und danach auch meist nicht wieder weg, der Sonnentau versorgt sich so durch Nährstoffe und kann auch an nährstoffarmen Standorten überleben. Kommt bei uns auch vor, gilt in Deutschland allerdings als stark gefährdet (Rote Liste Kategorie 2), vor allem aufgrund der Abnahme von Moorstandorten.
Schwedischer Hartriegel (Cornus suecica) - Cornaceae
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Schwedischer Hartriegel |
Verglichen mit der Kornellkirsche (
C. mas) oder dem Blutroten Hartriegel (
C. sanguinea), die beides Phanerophyten sind, kommt einem der Schwedische Hartriegel erst mal ziemlich klein vor. Nichts desto trotz eine ziemlich schicke Pflanze, wie ich finde. Die gut sichtbaren, weißen Blätter sind tatsächlich nicht die Kronenblätter, sondern Hüllblätter. Die Blüten sind die kleinen, schwarz-violetten Strukturen in der Mitte. Beim ranzoomen erkennt man gut Staubblätter und Stempel. Der Schwedische Hartriegel bildet 8-25 Blüten aus. Kommt auch bei uns im Nordwesten auf Torfböden vor und ist Rote Liste Kategorie 1 (vom Aussterben bedroht). Hauptgefährungsursachen sind Eutrophierung, Zerstörung von Sonderstandorten und Trockenlegung von Feuchtwiesen.
Geflecktes Knabenkraut (Dactylorhiza maculata) - Orchidaceae
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Geflecktes Knabenkraut |
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Am natürlichen Standort |
Noch 'n ziemlich schickes Ding, aber das ist ja bei Orchideen fast immer der Fall. Erahnbar sind die dunklen Flecken auf der Blattoberseite, von denen der Name rührt.Wird bis zu 60 cm hoch. Wie bei allen Orchideen sind die Pollen in klebenden Pollinien zusammengefasst, die von Insekten beim Besuch der Blüte aufgenommen werden. Die Art ist sehr variationsreich. Standorte sind feuchte Magerrasen, feuchte Quell- und Niedermoore sowie lichte Wälder. In Deutschland auch gefährdet (RL 3), vor allem durch den Verlust von Feuchtwiesen und Eutrophierung.
Moltebeere (Rubus chamaemorus) - Rosaceae
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Moltebeere zusammen mit Empetrum hermaphroditum, Vaccinium uliginosum, Vaccinium myrtillus, Vaccinium vitis-idaea, Andromeda polifolia und Sphagnum (cf. magellanicum)-Torfmoos |
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Moltebere zu Beginn der Blüte |
Wer das Glück hat, im Herbst durch die skandinavische Heide zu wandern, hat oft das Glück, die rot scheinenden Moltebeeren probieren zu können. Die Norweger gehen
total drauf ab, und das nicht ohne Grund. Unbedingt probieren! Ansonsten gehört sie zur selben Gattung wie Brom- und Himbeere, was sich auch in einem recht ähnlichen Äußeren zumindest der Beeren niederschlägt, wobei die Farbe mit zunehmendem Reifheitsgrad noch mehr ins orangene übergeht. Reif ist sie, wenn sich die Hüllblätter von der Fucht wegrollen. Aufgrund der geringen Erträge ist die Moltebeere die teuerste Wildbeere, was vor allem im eh nicht ganz billigen Norwegen auf den Magen schlägt. Zum Glück steht sie dort nicht unter Schutz, im Gegensatz zu Deutschland, wo sie unter RL1 (vom Aussterben bedroht) fällt, was vor allem auf den Verlust von Moorstandorten zurückzuführen ist.
Die folgenden Arten sind nun aus dem Dovrefjell.
Gletscher-Tragant (Astragalus frigidus) - Fabaceae
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Gletscher-Tragant |
Alpen-Tragant (Astragalus alpinus) - Fabaceae
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Alpen-Tragant |
Kleiner Klappertopf (Rhinanthus minor) - Orobanchaceae
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Kleiner Klappertopf |
Den kleinen Klappertopf ist einigen vielleicht schon bekannt. Er hat eine halbparasitäre Lebensweise, da er zwar selbst Photosynthese betreibt und auch eigenständig überleben kann, aber dennoch an anderen Pflanzen parasitieren und dadurch Nährstoffe gewinnen kann. Dazu bildet er ein sogenanntes Haustorium aus, ein Saugorgan, durch das die Nährstoffe aufgenommen werden. Ähnliche Strukturen sind auch bei Pilzen, Moosen, Flechten und anderen parasitären Pflanzen zu finden. Die Wurzel des Wirtes wird umschlossen, die Rinde zerstört und so eine Verbindung hergestellt, wobei sich sekundäres Xylem des Klappertopfes mit den Leitbündeln des Wirtes verbindet. Besonders große Spaltöffnungen erzeugen einen erhöhten Druck, durch den der Stoffaustausch vonstatten geht. Es gibt allerdings auch Pflanzen wie den Spitzwegerich (
Plantago lanceolata), die Mechanismen gegen einen Befall entwickelt haben. Der kleine Klappertof befällt vor allem Gräser (Poaceae) und Schmetterlingsblüter (Fabaceae). Er ist einjährig und wird bis 50 cm hoch, in Dovre erreicht er diese Höhe allerdings nicht. Standort sind Frisch-, Feucht- und Borstgraswiesen sowie Zwergstrauchheiden und Trockenrasen. Auch in Deutschland verbreitet.
Gegenblättriger Steinbrech (Saxifraga oppositifolia) - Saxifragaceae
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Gegenblättriger Steinbrech |
Der Gegenblättrige Steinbrech ist eine der am frühesten blühenden Arten in arktisch und alpinen Ökosystemen. Man findet ihn ausserdem noch auf Inseln nördlich von Grönland, womit er zusammen mit dem Arktischen Mohn (
Papaver radicatum) die am nördlichsten wachsenden Pflanzenart darstellt. In der Schweiz wächst die Art noch in Höhen von 4505 m - ebenfalls ein Rekord für Europa. Die Blüten sind im Verhältnis zum Rest der Pflanze überdurchschnittlich groß, um Bestäuber anzulocken.
Strauß-Steinbrech (Saxifraga cotyledon) - Saxifragaceae
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Strauß-Steinbrech |
Polstersteinbrech (Saxifraga cespitosa) - Saxifragaceae
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Polstersteinbrech |
Wechselblättriges Milzkraut (Chrysosplenium alternifolium) - Saxifragaceae
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Wechselblättriges Milzkraut |
Mücken-Händelwurz (Gymnadenia conopsea) - Orchidaceae
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Mücken-Händelwurz |
Die Mücken-Händelwurz lässt sich von andere Orchideenarten leicht durch den langen Sporn und die dreilappige Lippe unterscheiden.
Gemeines Fettkraut (Pinguicula vulgaris) - Lentibulariaceae
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Gemeines Fettkraut (Blüte) |
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Gemeines Fettkraut (Blattrosette mit gefangenen Insekten) |
Die Wasserschlauchgewächse (Lentibulariaceae) sind eine interessante Pflanzenfamilie, deren 350 Vertreter aus drei Gattungen sind sämtlich fleischfressend. Eine der Gattungen ist
Utricularia (Wasserschläuche), deren Fangblasen die schnellsten bekannten Bewegungen im Pflanzenreich ausführen. Eine andere ist die der Fettkräuter. Auch das Gemeine Fettkraut ergänzt seine Diät durch Fleisch, allerdings weniger spektakulär: Ähnlich wie beim Sonnentau sind die Blattoberseiten mit einer klebrigen Substanz überzogen, die kleine Insekten nicht entkommen lässt und durch Enzyme verdaut. Auch diese Pflanze kann daher an nährstoffarmen Standorten gut gedeihen und hat ein wenig ausgeprägtes Wurzelwerk. Sie wächst bis zu 20 cm hoch und dies vor allem auf nährstoffarmen Mooren und in Moorwäldern. In Deutschland gefährdet (RL 3).
Norwegischer Beifuß (Artemisia norvegica) - Asteraceae
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Norwegischer Beifuß (Blüte) |
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Norwegischer Beifuß |
Der Norwegische Beifuß bevorzugt exponierte Standort, wie auf dem unteren Foto zu sehen. Man sieht, es wächst kaum was drum herum, da dieses Exemplar es sich auf einer windumtosten Hügelkuppe bequem gemacht hat. Dies ist auch sein natürlicher Standort, man findet ihn auf Moränen, in der offenen Tundra aber auch auf alpinen Wiesen und dies nicht nur in Norwegen, sondern auch in arktisch-alpinen Gebieten in der Nordhemisphäre. Der Norwegische Beifuß gilt als Pionierart nach Störungen. In Norwegen steht er auf der Roten Liste und ist dort selten, in Deutschland kommt er nicht vor. Nebenbei ist gehört zu der Gattung
Artemisia auch der Wermut (
Artemisia absinthium), der für die Herstellung von Absinth verwendet wird.
Nordischer (?) Eisenhut (Aconitum lycoctonum ssp. septentrionale) - Ranunculaceae
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Aconitum lycoctonum ssp. septentrionale |
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Blüte im Detail |
Dieser giftige Eisenhut der Gattung
Aconitum lycoctonum ist üblicherweise gelb, die Unterart septentrionale jedoch bildet violette Blüten aus und ist eine häufig gesehen Pflanze an moderateren Standorten um Kongsvold herum. Die psychoaktiven Alkaloide wurden zusammen mit Pflanzenteilen diverser Nachtschattengewächse von Kräuterfrauen im Mittelalter für halluzinogene "Flüge" benutzt.
Frühlings-Küchenschelle (Pulsatilla vernalis) - Ranunculaceae
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Frühlings-Küchenschelle |
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Frühlings-Küchenschelle mit geschlossener Blüte |
Die Frühlings-Küchenschelle schützt sich durch üppige Behaarung vor Kälte. Ihren alternativen Trivialnamen (Frühlings-Kuhschelle) hat sie durch die Form, die die Blüten im geschlossenen Zustand annehmen: Sie sehen ein bisschen aus wie eine Kuhglocke.
Rundblättriges Wintergrün (Pyrola rotundifolia) - Ericaceae
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Rundblättriges Wintergrün |
Der Name rührt von dem Fakt, dass die Blätter im Winter nicht absterben.
Weiße Silberwurz (Dryas octopetala) - Rosaceae
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Weiße Silberwurz |
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Achtzählige Blüte |
Aus dem lateinischen Namen der Weißen Silberwurz kann man ihre Besonderheit ableiten: Sie hat acht Kronblätter (Petalen), ungewöhnlich für Rosengewächse, die üblicherweise nur 5 Petalen ausbilden. Ausserdem wurde nach ihr ein erdgeschichtlicher Abschnitt benannt, die jüngere Dryaszeit, da Pollenanalysen ergeben haben, dass die Art zu der Zeit, in der es kälter war als heute (nach der letzten Eiszeit), in Europa weit verbreitet war. Sie kommt auch bei uns in den Alpen auf Rasen-, Fels- und Geröllfluren immer noch recht häufig vor. Ellenberg klassifiziert sie als Volllichtpflanze (Lichtzahl 9), ansonsten ist sie aber recht genügsam und kann sehr alt werden, da sich die Stoffwechselaktivität aufgrund der kurzen Wachstumsperiode nur auf wenige Wochen beschränkt. Die Blüten folgen dem Lauf der Sonne. Ihre Wuchsform fällt unter die der Spaliersträucher, das heißt, die zahlreichen Zweige wachsen kriechend über dem Boden.
Sprossender Bärlapp (Lycopodium annotinum) - Lycopodiaceae
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Sprossender Bärlapp, hier in Gesellschaft mit der Moosheide (Phyllodoce caerulea) |
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Bärlappe gehören wie die Samenpflanzen und Farne zu dem Gefäßpflanzen, da sie anders als Moose Leitbündel ausbilden. Ihr reproduktives System ist jedoch noch an Sporen gebunden, daher ordnete man sie gemeinsam mit dem Farnen lange der Abteilung "Gefäßsporenpflanzen" (Pteridophyta) zu. Wie das halt so ist in der Taxonomie, ist diese Kategorisierung heute nicht mehr aktuell. Der Sprossende Bärlapp bildet bis zu 1 m lange Stolone, an denen sich neue Sprosse bilden (auf dem Bild ist nur ein Individuum zu sehen).
Preiselbeere (Vaccinium vitis-idaea) - Ericaceae
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Preiselbeere mit Blüten |
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Ebenso, dazwischen Empetrum hermaphroditum |
Moosheide (Phyllodoce caerulea) - Ericaceae
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Moosheide |
Die Moosheide ist (jdfs. ohne Blütenstand) leicht mit
E. hermaphroditum zu verwechseln! Die Blätter sind allerdings ein bisschen länger, die Blattspreite verläuft paralleler und weniger rundlich-oval.
Vierkantige Schuppenheide (Cassiope tetragona) - Ericaceae
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Vierkantige Schuppenheide |
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Vierkantige Schuppenheide |
Gämsheide (Loiseleuria procumbens) - Ericaceae
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Gämsheide |
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Gämsheidenpolster |
Die Gämsheide ist eine charakteristische Art für windexponierte Standorte, so bspw. auf Hügelkuppen.
Rosmarinheide (Andromeda polifolia) - Ericaceae
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Rosmarinheide |
Die Herkunft des Namens sollte klar sein (Tipp: Ein Blick auf die Blätter genügt).
Zweiblütiges Veilchen (Viola biflora) - Violaceae
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Zweiblütiges Veilchen |
Buntes Läusekraut (Pedicularis oederi) - Orobanchaceae
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Buntes Läusekraut |
Das Bunte Läusekraut ist ähnlich dem Klappertopf ein Halbparasit. Es wurde nach dem deutschen Botaniker Georg Christian Oeder benannt.
Zwerg-Weide (Salix herbacea) - Salicaceae
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Zwerg-Weide |
Weiden müssen nicht immer baum- oder strauchartig sein.
Netz-Weide (Salix reticulata) - Salicaceae
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Netz-Weide |
Zum Abschluss noch was für die Zoologen.
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Moorschneehuhn (Lagopus lagopus) zwischen Birken (Betula pubescens) und Wacholdersträuchern (Juniperus communis). |
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Ein hervorragendes Buch zum Bestimmen der Pflanzen Skandinaviens ist
MOSSBERG, B. & STENBERG, L. (2010): Den nya nordiska Floran. Bonnier Fakta, Stockholm. 928 S.
Nicht gerade kompakt, aber mit sehr guten Abbildungen aller (!) Pflanzen Skandinaviens. Mit Verbreitungskarten und (schwedischen) Beschreibungen. Kein dichotomer Schlüssel (Das norwegische Standardwerk dafür ist LID, J: Norsk flora (verschiedene Ausgaben)), daher sind Vorkenntnisse z.B. der Familien hilfreich.
Weitere Quellen:
WAGENITZ, G. (2003): Wörterbuch der Botanik. Nikol Verlag, Hamburg. 552 S.
www.floraweb.de
www.wikipedia.org
Die Rechte an den Fotos liegen natürlich beim Autor.
Micha